In der Bundespolitik durften wir in Österreich ein stürmisches Quartal erleben. Nach dem ersten Scheitern der Drei-Parteien-Koalitionsverhandlungen sah es für eine Weile so aus, als stünde eine FPÖ-ÖVP-Koalition bevor. Dies ist jedoch nicht passiert, ein zweiter Anlauf zur Bildung der ÖVP-SPÖ-Neos-Regierung gelang dann doch.
Es sind also erste Ansätze in der zukünftigen Religionspolitik erkennbar, die keine großen Änderungen in die richtige Richtung erkennen lassen. Während die zu Ende gegangene “Ampelkoalition” in Deutschland ebenfalls mit einer sozialdemokratischen und einer liberalen Partei sich zumindest in ihrem Programm Reformen vorgenommen hat, die dann nicht doch nicht realisiert wurden (Ablösung der Staatsleistungen, Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafrechts), ist davon in Österreich nichts zu sehen.
In Deutschland gibt es jetzt mehr Konfessionsfreie als Katholische und Evangelische zusammen – währenddessen warten wir in Österreich noch darauf, dass Massenmedien (mit Ausnahme des profil) überhaupt vermelden, dass die katholische 50-%-Mehrheit im Vorjahr gefallen ist.
Steuerabsetzbarkeit von Religionsbeiträgen
Kurz im Gespräch war in den FPÖ-ÖVP-Verhandlungen die Abschaffung der Steuerabsetzbarkeit der verpflichtenden Kirchenbeiträge. Diese langjährige Forderung der Konfessionsfreien wurde ausgerechnet von der FPÖ geäußert, mit undurchsichtigen Motiven. Die mediale Diskussion war sehr einseitig, es kamen hauptsächlich Vertreter:innen von Religionsgemeinschaften und ihren karitativen Tochterorganisationen zu Wort. Erwartungsgemäß waren sie gegen diese Reform und begründeten dies mit Falschdarstellungen.
Die übliche Strategie, die Steuerabsetzbarkeit der verpflichtenden Religionsbeiträge (die nur vier von sechzehn anerkannten Religionsgemeinschaften überhaupt kennen) mit der Absetzbarkeit von freiwilligen Spenden an gemeinnützige Organisation zu vermischen, ist die erste Manipulation. Diese Dinge sind im Einkommenssteuergesetz unabhängig voneinander geregelt und hängen in keiner Weise zusammen.
Die zweite bekannte Manipulationsstrategie ist das Motiv “dies ist ein Angriff auf Religionsgesellschaften”. Eine Steuerabsetzung bewirkt eine nachträgliche Rückerstattung oder Abzug von Steuerbeträgen. Das ist eine staatliches Prämie für die Mitgliedschaft in einzelnen Religionsgesellschaften, eine Subvention. Die Höhe wächst mit dem Einkommen – Besserverdienende bekommen einen höheren Anteil ihres Kirchenbeitrags von der Gesellschaft erstattet. In Wien finanzieren etwa zwei Drittel der Bevölkerung (Konfessionsfreie, Muslim:innen, Orthodoxe) dem restlichen Drittel die Mitgliedschaft in Religionsgemeinschaften. Wenn der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig in diesem Zusammenhang von einem “Angriff auf die Kirche” spricht, dann handelt er weder sozial noch demokratisch.
Angriffe auf den Islam
Im Koalitionsabkommen sind einige Maßnahmen enthalten, die erkennbar gegen einzelne Religionsgesellschaften gerichtet sind. Neben einer nebulösen “Verschärfung” des Islamgesetzes soll auch ein Kopftuchverbot in der Schule für Mädchen bis 14 Jahren kommen. Regelungen gegen erzwungene Zeichen der Religionszugehörigkeit können ja sinnvoll sein, aber nur dann, wenn sie für alle solche Zeichen gelten. Eine weltanschaulich neutrale Lösung müsste auf eine Kleiderordnung in der Schule an sich abzielen und alle Verhüllungen und Kopfbedeckungen umfassen, also auch Kippa, Sikh-Turban und Baseballkappen verbieten. Der Verfassungsgerichtshof hat erst vor fünf Jahren ein ähnlich eng gestaltetes Kopftuchverbot untersagt – diesmal soll eine “verfassungsmäßige” Lösung gefunden werden. Ob dies mit einem Gesetz, das zwischen verschiedenen Religionsgesellschaften unterscheidet, möglich sein wird, wird sich noch zeigen. Die Kompetenz der daran beteiligten Personen hat sich noch nicht ausreichend erwiesen.
Gesetzliche Regelungen, die sich gegen eine einzelne Religionsgesellschaft richten, widersprechen der Religionsfreiheit und erhöhen die Wahrscheinlichkeit von juristischen Erfolgen eben dieser Religionsgesellschaft. Die populistischen “Islamkritiker:innen” in der Politik sollten zweimal darüber nachdenken, ob sie dem politischen Islam diese Erfolge verschaffen sollten.
Keinfreitag
Aus einer anderen Ecke wurde wieder der Wunsch nach dem Karfreitag als gesetzlichem Feiertag an die Politik herangetragen. Doch die evangelischen Kirchen erhielten hier auch wieder eine Abfuhr. Der Karfreitag, bis 2019 ein bezahlter Feiertag für Angehörige einzelner Religionsgesellschaften, wurde nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von der damals regierenden ÖVP-FPÖ-Koalition abgeschafft. Als Ersatz wurde für alle der einseitig wählbare “persönliche Feiertag” im Rahmen des Urlaubsanspruchs eingeführt – eine Verbesserung für alle Arbeitnehmer:innen. Die Lobby jener, die einen zusätzlichen Feiertag nur für sich oder für alle einführen wollen, ist mittlerweile zu klein.
Konfessionsfreie jetzt über 3 Millionen
Die aktualisierte Verteilung der weltanschaulichen Gruppen in Österreich ergibt mit Ende des ersten Quartals 2025 knapp über 3 Millionen Konfessionsfreie, das entspricht 32,6 % der Bevölkerung. Die derzeit noch größte Gruppe sind die römisch-katholischen Mitglieder mit 49,2 % Bevölkerungsanteil. Wir heißen insbesondere auch die 6.753 neuen Konfessionsfreien, die 2024 aus den evangelischen Kirchen (A. B. und H. B.) ausgetreten sind, willkommen, so wie die 10.278 in Wien ausgetretenen nicht mehr römisch-katholischen Menschen!
Spenden an den Zentralrat der Konfessionsfreien
Es ist jetzt möglich, an den Zentralrat der Konfessionsfreien zu spenden.
Zentralrat der Konfessionsfreien
AT68 2011 1853 9114 3700
Mit den Spenden können z. B. die Kosten des Internetauftritts, aber auch Presseaussendungen und weitere Aufgaben des Zentralrats finanziert werden. Ein Dauerauftrag, auch mit einem kleinen Betrag, macht den Spendeneingang kalkulierbar. Der Zentralrat arbeitet an der steuerlichen Absetzbarkeit der Spenden.
Informationsquellen
Regelmäßige Aktualisierungen vom Zentralrat der Konfessionsfreien: https://konfessionsfrei.at/aktuelles/
Artikel über Themen, die für die meisten nicht-gläubigen und konfessionsfreien Menschen wichtig sind, erscheinen regelmäßig beim Humanistischen Verband Österreichs. Der Humanistische Pressedienst in Deutschland hat eine Rubrik für Inhalte aus Österreich. Auch der Radio-Athikan-Podcast berichtet über säkulare Themen.
Und an dieser Stelle darf nochmal der Hinweis auf den Newsletter des Zentralrats stehen. Dieser informiert einmal im Quartal und bei Bedarf öfter über wichtige Neuigkeiten über das säkulare Österreich.