Warum Konfessionsfrei?

Hintergründe

Geschichte und Politik

In einigen Monaten wird die Hälfte der Bevölkerung aus freier Entscheidung nicht mehr katholisch sein. Damit werden die Katholiken zur Minderheit in einem Land, das durch Jahrhunderte von der Gegenreformation geprägt war, also von der zwangsweisen Rekatholisierung von Bürgern. Enteignung, Landesverweis, Deportation und manchmal Todesurteil. Zuvor war man auch nicht freiwillig katholisch geworden, weil als nicht einwilligungsfähiges Kind getauft.

Diese Zeit geht zu Ende. Zuviel ist passiert, die kirchliche Macht ist als Autoritätsverhältnis gegenüber Kindern missbraucht worden und hat Spuren hinterlassen in den Vertrauens- und Imageindices der Kirche. Primäre Gründe, nicht auszutreten, wie die kirchliche Gemeinschaft und ihr sozialer Druck, werden zusehends schwächer. Omas können noch Druck ausüben, aber die Jungen ziehen in die andere Richtung, weil Religion in dieser Generation kein Thema mehr ist. Die Entwicklung scheint deswegen nahe an einem Kipppunkt zu sein.

Die Kirche hat sehr viel Vertrauen verloren

Die katholische Kirche in Österreich hat laut einer aktuellen Umfrage weiter an Vertrauen in der Bevölkerung verloren. Wie aus dem 2024 veröffentlichten Statista-Vertrauensindex hervorgeht, liegt  die Kirche mit 31% Punkten für „gar kein Vertrauen“ am schlechtesten. Auch in anderen Ranglisten liegt die Kirche auf hinteren Plätzen, wobei sich die Situation seit Jahren laufend verschlechtert.

Die Stärke der Kirche liegt angeblich im sozialen und karitativen Bereich. Aber selbst hier lebt der Apparat mehr von der PR, denn die Fakten sprechen eine andere Sprache. „Die Kirche tut ja so viel Gutes!“, lautet das Hauptargument der uninformierten Kirchenmitglieder. Informierte wissen, dass die Caritas nur zwischen 0 und 2% von der Kirche finanziert wird, in Wahrheit aber durch Spenden, von der öffentlichen Hand und von Sozialinstitutionen. Die Spender und die Mitarbeiter sind motiviert durch „Gutes tun“ und nicht durch ihren Glauben, wie dies früher einmal gewesen sein mag.

Für den Einzelnen mag die Religion wertvoll sein und niemand soll ihm/ihr das nehmen. Für die Gesellschaft zählt aber nur der Nettonutzen und den kann niemand benennen, vor allem weil wir ihn gegen den Kollateralschaden aufrechnen müssten, den Religionen anrichten: Fremdbestimmung, statisches Denken, Konservativismus, Autoritätsgläubigkeit, Wahrheitsbesitz, Körper- und Frauenfeindlichkeit, fehlende Realitätsnähe und Wunschdenken u.v.a.

Kritik an Kirche und Konkordat

Lange Zeit waren Kirche und Konkordat unantastbar, vor allem unter ÖVP Regierungen. Heute sind die Festlegungen des Konkordats nicht nur überholt und sittenwidrig, sondern teilweise auch undurchführbar. Kein Mensch würde heute einem solchen Vertrag zustimmen, es handelt sich also um eine Art Knebelvertrag, bei dem der eine Partner sich zu einer Reihe von massiven Maßnahmen und Zahlungen verpflichtet und der andere so gut wie nichts dafür bekommt.

Die Zahl der Religionsstunden kann bei  17 anerkannten Religionen (statt zwei im Jahre 1945) nicht eingehalten werden. Bald werden es 20 sein müssen. Das Aufkommen von Religionsschülern sinkt von Jahr zu Jahr. Das schafft große organisatorische Probleme und Ungerechtigkeiten.

Dazu kommt, dass man heute ganz anders denkt über die Nützlichkeit, Kindern in der Schule religiöse Erziehung beizubringen, weil  man darin mehr und mehr einen Akt der Mission sieht, der in der Schule nichts verloren hat. Anders verhält es sich mit der Bildung und dem Wissen über Religionen, das in das Fach „Ethik und Religionen“ gehört. Wichtig ist dabei der Plural bei der Religion. Wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft, diametral entgegengesetzt der autoritären Gesellschaft in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts.

Selbst das Schul-Amt für Religionsunterricht  (Erzbischöfliche Amt für Schule und Bildung) hat die Unhaltbarkeit der gegenwärtigen Situation eingesehen und ein Projekt eingeleitet, das sich “Werte – Interkulturelles Lernen – Religionen” (WIR – Projekt) nennt,  eingerichtet. Dieses Projekt ist dem Fach „Ethik und Religionen“ bereits angenähert, mit dem großen Unterschied, dass diesen Unterricht natürlich Religionslehrer führen, die dem Schulamt und damit der Erzdiözese verpflichtet sind.

Religion und Faschismus

Von der Religion haben sich die Populisten, die Volksverführer, die rechten „Möchte-gern-Volkskanzler“ und Demagogen jeder Schattierung die Methoden abgeschaut, mit welcher Unverfrorenheit man seine eigene Wahrheit einfach erfindet, aufbaut, diese verbreitet und mit welchen modernen Mechanismen das plötzlich perfekt funktioniert wie nie zuvor, diese Märchen als „alternative Wahrheiten“ zu verkaufen. Man fühlt sich an „Des Kaisers neue Kleider“ erinnert.

Die „Kriminalgeschichte des Christentums“, auf fast 5000 Seiten beschrieben von Karlheinz Deschner, zieht sich von Kaiser Konstantin bis ins Dritte Reich. Die europäischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts (u. a. in Deutschland, Italien, Spanien, Kroatien) haben allesamt mit dem Klerus kooperiert. Oder sie haben, wie die Sowjetunion, eine eigene politische Religion mit „heiligen Schriften“ und entsprechendem Personenkult erschaffen. In den meisten islamisch geprägten Staaten ist die Trennung von Regierung und Religion bis heute undenkbar, was zu verheerenden Verletzungen der Menschenrechte führt.

Dazu kommen die enormen Mittel der Religionen, die für die Verblendung des Volkes eingesetzt werden können und auch werden, während für die Objektivierung von Information immer weniger Mittel zur Verfügung stehen. Zeitungen können sich aufwändige Recherchen immer weniger leisten.

Philosophie

Weltanschauliche Neutralität des Staates

Konfessionsfreie treten für die weltanschauliche Neutralität des Staates ein, für die Trennung von Staat und Kirche, Religion ist Privatsache. Angesichts tausender Götter und Religionen auf der Welt, die alle behaupten, die absolute Wahrheit zu kennen und zu vertreten, ist der Staat zu Säkularität und Weltlichkeit verpflichtet. Das ist angesichts der katastrophalen Auswirkungen von Theokratien früher und auch heute in der Welt von zentraler Bedeutung für Frieden und Fortschritt.

Um dieses Anliegen politisch umzusetzen, haben sich säkulare Organisationen in Österreich und nun auch in Österreich zum Zentralrat der Konfessionsfreien zusammengeschlossen. Wir sind parteipolitisch ungebunden und finanziell unabhängig. Wir wollen keine staatlichen Fördergelder, sondern die Beachtung der Grundrechte. Solange aber andere kirchliche und religiöse Gemeinschaften am Tropf des Staates hängen, sollte man für Gleichbehandlung sorgen.

Deshalb begleiten wir Österreichs  Weiterentwicklung zu einem konsequent säkularen Staat. In Österreich steht  dieses Ziel nicht explizit im Grundgesetz und ist durch verschiedene Ausnahmen (Konkordat!) verwässert. In Deutschland wurde 1923 dieser Auftrag sogar ins Grundgesetz übernommen, aber  nie konsequent umgesetzt – bisher.

Das Werk der permanenten Aufklärung

Die Umsetzung der säkularen Werte der Verfassung ist Teil des „unvollendeten Projekts der Aufklärung“. Die gesellschaftliche Veränderung hin zur Konfessionsfreiheit muss keiner Partei Sorgen bereiten – es sei denn, sie ignoriert diese Entwicklung. Denn politische Mehrheiten werden sich nicht mehr gegen, sondern nur noch mit der rasant wachsenden Gruppe der Konfessionsfreien erzielen lassen. Wer sich für die Ideale der Aufklärung einsetzt, für das Grundrecht auf Selbstbestimmung und Weltanschauungsfreiheit, kann daher nicht nur auf unsere Unterstützung zählen, sondern auch auf die Zustimmung der Wählerinnen und Wähler.

Es geht nicht an, dass bei weltanschaulichen Fragen regelmäßig alle Kirchen zu Stellungnahmen eingeladen werden, die zweitgrößte Gruppe, die Konfessionfreien jedoch nicht, zumal alle Kirchen meist ähnlich konservative Stellungnahmen abgeben. Kritiker kommen meist nicht zu Wort.

Die Einbetonierung der katholischen Fraktion als bestimmender  Machtfaktor in Österreich muss endlich ein Ende haben, um auch kritischen und liberaleren Standpunkten der Österreicher eine Chance zu eröffnen. 

Das „Mem“ Religion – ein Virus

Religion hat sich immer nur um die eigene Macht gekümmert und nie um die Menschen, und wenn dann nur vordergründig, aus PR  Gründen. Richard Dawkins hat als Wissenschaftler einen passenden Begriff für die Toxizität der Religion gefunden, das „Mem“. Das Mem ist ein Virus auf Informationsbasis, der sich auf vergleichbarem Weg fortpflanzt. Es sucht sich einen „Wirt“ wie das Virus, von dem es die Lebensfunktionen verwendet,  um seine Information weiterzutragen und zu vermehren, d.h. es führt ein parasitäres Leben.

Aber auch außerhalb des muslimischen Kulturkreises sind die Prinzipien der offenen Gesellschaft unter Druck geraten. In den letzten Jahren ist eine „Internationale der Nationalisten“ entstanden, die sich auf einem brandgefährlichen Mix aus nationalem Chauvinismus und reaktionären religiösen Werten gründet. Die Programme der jeweiligen politischen Führer (Putin, Trump, Erdoğan, Bolsonaro, Orbán, Lukaschenko, Le Pen & Co.) gleichen sich in verdächtiger Weise: Sie alle richten sich gegen die kulturellen Begleiterscheinungen der Moderne, gegen Liberalisierung, Pluralisierung, Individualisierung, Säkularisierung, gegen die Rechte von Frauen und Homosexuellen, gegen den weltanschaulich neutralen Staat, gegen die Prinzipien der offenen Gesellschaft.

Wir kritisierten das massive russische Propagieren einer „russisch-orthodoxen Identität“, die sich gegenwärtig in den Gräueltaten des Angriffskrieges gegen die Ukraine entlädt. Vergleichbare „identitäre“ Bewegungen versuchen derzeit, auch in Österreich und Österreich Fuß zu fassen – es ist unser aller Aufgabe, dem entgegenzuwirken.

Eine Vierte Gewalt ist schädlich für den Staat

Seit Jahrhunderten gilt in westlich geprägten Ländern die Gewaltenteilung als Basis der Verfassung. Nach Montesquieu  werden dabei die drei Gewalten Gesetzgebung (Legislative), ausführende Gewalt (Exekutive) und Rechtsprechung (Judikative) getrennt. Es darf aber auch keine andere Gewalt Macht ausüben, sonst funktioniert diese Triade nicht. In Österreich hat die Kirche lange Zeit massiv  politische Macht ausgeübt, heute funktioniert das subkutan, aber effektiv über die Hebelwirkung von Parteien, Institutionen (Ärztekammer) und kirchennahen Personen und eine Unzahl an kirchennahen Organisationen, die ebenfalls vom Staat in der einen oder anderen Form unterstützt werden.

Diese Vierte Gewalt, die Kirche, hat in der Gesellschaft ihre Berechtigung, nicht aber im Staat. Sie passt in keine der drei Gewalten, schon allein weil ihre Methodik und ihre Sprache eine andere ist. Christus sagt selbst: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt!“. Wir können mit Spiritualität keine Gesetze bauen, wir können auf Basis der Bibel nicht Recht sprechen und schon gar nicht exekutieren. Wieso dann einzelne Vorschriften und Denkweisen seitens der Kirche vertreten werden, die in Gesetze einfließen sollen, erschließt sich uns nicht.

Ist es  demokratiepolitisch vertretbar, so zu tun, als wären wir noch im Jahr 1918 mit über 90%  Katholiken, wenn es in Wahrheit bald weniger als 50% sind?

Konfessionsfreiheit und ihre Vorteile

Konfessionsfreiheit heißt vor allem die Freiheit, sich nicht an eine Religion binden zu lassen, sich nicht von Aberglauben, überkommenen Vorstellungen und Wissenschaftsfeindlichkeit blockieren zu lassen. Religionen haben eine problematische Stellung in der Welt. Sie stellen Behauptungen (Offenbarungen) auf, von denen sie enorm wichtige Entscheidungen ableiten, die für alle gültig sein sollen.

Wir aber wollen lernen. Uns weiterentwickeln. So kommen  wir zu Standpunkten auf der Basis vom Wissen der Zeit und nicht auf Basis von Schriften von „Ignoranten aus der Eisenzeit“ „Was wir jetzt brauchen, ist Wissen, Mut und einen guten Umgang miteinander“ (Bertrand Russell).

Fortschritte und Verbesserungen des Zusammenlebens der Menschheit, wie Demokratie, Rechts-staatlichkeit, Selbstbestimmung und letztlich Freiheit sind samt und sonders Errungenschaften der Aufklärung, die nicht mit, sondern gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen erreicht worden.

Unsere konfessionsfreien Standpunkte können wir frei wählen und ändern. Sie haben eines gemeinsam: Sie sind entwicklungsfähig, nicht starr. Die Evolution steckt tief in unserem Wesen. In unserer Zeit der raschen Änderungen äußerer Bedingungen ist Lernen und Anpassen eine Frage des  Überlebens.