Sieben Chancen für eine offene Gesellschaft in Österreich

  1. Religion wie jede andere Ideologie und Weltanschauung als Privatsache behandeln – Laizität in die Verfassung

  2. Weltanschauliche Neutralität in staatlichen Einrichtungen und Gesetzen

  3. Mitsprache der Konfessionsfreien in politischen Gremien, die auch weltanschaulich besetzt werden

  4. Historische Staatsleistungen an die Kirchen und Religionsgesellschaften einstellen oder ablösen

  5. Keine Sonderbehandlung von Kirchen und Religionsgesellschaften bei der Aufklärung von sexueller Gewalt gegen Kinder

  6. „Religionen und Ethik” für alle als verpflichtendes Lehrfach einführen

  7. Weltanschauungsfreiheit auch jedem Teil der Gesellschaft garantieren

Diese Forderungen beruhen auf den Menschenrechten, der österreichischen Verfassung und auf demokratischen Prinzipien. Die Konfessionsfreien sind überzeugt, dass hinter vielen von ihnen eine Mehrheit der Bevölkerung steht.

 

1. Religion als Privatsache behandeln – Laizität in die Verfassung

Die Weltanschauungsfreiheit und die Freiheit der Ausübung oder Nichtausübung einer Religion sind wichtige Grundrechte jedes Menschen. Die Konfessionsfreien sind nicht da, um sie zu kritisieren, sondern um sie zu stärken und zu bewahren.

So wie andere Grundrechte ist die Religionsfreiheit in erster Linie ein privates Menschenrecht. Zusammen mit der Versammlungsfreiheit ergibt sie das Recht, Religion organisiert auszuüben. Religionsfreiheit und die Freiheit ihrer Ausübung stehen nicht über anderen Grundrechten, und sind Teil des gesetzlichen Rahmens. Und sie geben niemandem das Recht, über die Religionszugehörigkeit anderer Personen zu entscheiden. Die Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft kann im religionsmündigen Alter aktiv bestätigt werden – nur das kann dazu führen, dass der Staat in der Durchsetzung von Forderungen der Religionsgesellschaft assistiert.

Die Republik soll weltanschaulich neutral handeln und darf nicht einzelne Weltanschauungen oder Religionen über andere stellen. Er übernimmt keine Dienstleistungen für Religionsgesellschaften, führt keine Mitgliederverwaltung für sie durch und identifiziert sich nicht mit ihren Symbolen. Er fördert Demokratie, Menschenrechte und Frieden und wehrt sich aktiv gegen organisierte Kräfte, die diese Staatsziele unterlaufen.

2.  Weltanschauliche Neutralität in staatlichen Einrichtungen und Gesetzen

Der Staat hat sich auch in seinen Erscheinungsformen neutral zu verhalten. Das bedeutet: Keine religiösen Symbole in öffentlichen Gebäuden, Schulen und Kindergärten, keine religiöse Kleidung von Vertreter:innen des Staates und der Bundesländer (Lehrer:innern, Richter:innen, Polizei, usw.) in ihrer Dienstzeit.

Ausnahmen von Diskriminierungsverboten für religiöse Organisationen und Einrichtungen sind zu überprüfen. Diskriminierung auf Basis des Geschlechts ist mit sachlichen Gründen (nicht mit Tradition oder Vorgaben ausländischer Organisationen) zu begründen, andernfalls ist sie nicht zulässig. Für die Eignung zu Lehrtätigkeiten in Schulen und an Universitäten sind ausschließlich fachliche Kriterien und Prüfungen säkularer Bildungseinrichtungen heranzuziehen, eine zusätzliche Reglementierung durch Religionsgemeinschaften darf nicht mehr stattfinden.

3. Mitsprache der Konfessionsfreien in politischen Gremien, die auch weltanschaulich besetzt werden

Bei Beratungen im Gesetzgebungsprozess werden routinemäßig Vertreter:innen von Religionsgemeinschaften, aber nur in seltenen Ausnahmefällen Expert:innen aus dem konfessionsfreien Bereich hinzugezogen, selbst wenn es genau um deren Kernanliegen geht. In Zukunft muss gewährleistet sein, dass die Teilnahme an Beratungen, die Vertreter:innen von Religionsgemeinschaften einbeziehen, auch der zweitgrößten weltanschaulichen Bevölkerungsgruppe, den Konfessionsfreien offensteht.

Im Österreichischen Rundfunk müssen Programme, die von weltanschaulichen Gruppen nach eigenen Kriterien gestaltet werden (etwa Gottesdienste) eine größere weltanschauliche Vielfalt bieten als nur katholische Messen. Der Sendeplatz kann ungefähr proportional zum Bevölkerungsanteil etwa auch islamische Gottesdienste, aber auch Informations- und Diskussionsveranstaltungen aus dem säkularen Sektor enthalten.

Die Religionsredaktion muss unter Beibehaltung der redaktionellen Freiheit entsprechend dem Bevölkerungsanteil auch mit konfessionsfreien Personen besetzt werden, die über religiöse Themen aus einer säkularen Sicht berichten können.

4. Historische Staatsleistungen an die überprüfen und gegebenenfalls einstellen

Staatliche Zahlungen in Millionenhöhe an ausgewählte,, die nach der Einführung der Mitgliederfinanzierung (Kirchenbeitrag) obsolet geworden sind und erst 1960 neu eingeführt wurden, müssen überprüft werden. Soweit es sich um einen Schadenersatz handelt, muss der Schaden beziffert und mit der Höhe der erfolgten Zahlungen verglichen und gegengerechnet werden.

5. Keine Sonderbehandlung von Kirchen und Religionsgesellschaften bei der Aufklärung von sexueller Gewalt gegen Kinder

In Österreich muss die bislang fehlende unabhängige Aufarbeitung sexueller Gewalt an Kindern und anderen abhängigen Personen dringend stattfinden, und um neu gemeldete Fälle muss sich eine neutrale staatliche Behörde kümmern, die eventuelle Schadenersatzzahlungen bei den Religionsgemeinschaften oder den Tätern rückfinanziert.

Im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen staatliche oder von den Kirchen beauftragte Kommissionen die Fälle systematisch aufarbeiteten, hat Österreich diesen Bereich bisher völlig vernachlässigt. Statt einer neutralen staatlichen Stelle mit Meldepflicht strafrechtlich relevanter Vorfälle, die für alle Missbrauchsfälle in allen Religionsgemeinschaften zuständig wäre, gibt es bisher nur einen kircheneigenen Prozess ausschließlich für Opfer der katholischen Kirche. Dies trägt nur zur weiteren Verschleppung und Vertuschung der systematischen Fehler und der noch nicht verjährten Verbrechen bei und suggeriert, dass katholische Geistliche nicht der allgemeinen Gerichtsbarkeit unterliegen.

Sexuelle Gewalt gegen Kinder ist ohne Ansehen der Person lückenlos aufklären und verfolgen.

6. „Religionen und Ethik“ für alle als verpflichtendes Lehrfach einführen

Der Ethikunterricht, der auch die Geschichte und wichtige Positionen verschiedener Religionen enthält, muss für alle Schüler:innen ein Pflichtfach sein und die Kinder in ihrer ethischen Bildung vereinen, statt sie wie bisher zu trennen.

Die Teilnahme am konfessionellen Religionsunterricht und an religiösen Handlungen wie Schulmessen muss vollständig frei sein, der Besuch der Schule, auch einer Privatschule, darf nicht daran gebunden sein.

7. Weltanschauungsfreiheit überall

Im Asylwesen muss mehr Augenmerk auf die Religionsfreiheit, die Freiheit von Religion beinhaltet, gelegt werden. Der Abfall von der Staatsreligion im Ursprungsland muss ein anerkannter Fluchtgrund sein, und auch während des Asylverfahrens etwa in der Unterbringung beachtet werden, um die Sicherheit und Freiheit der Geflüchteten vor religiöser Verfolgung zu gewährleisten.

Gesetze, die für alle gelten, müssen auch in Religionsgemeinschaften durchgesetzt werden. Dies beinhaltet insbesondere die Freiheit, sich von der Religion abzuwenden: Menschen, die sich für diesen Schritt entscheiden, müssen vom Staat aktiv vor körperlicher und physischer Gewalt geschützt werden.